Seite 94 - Birgit Reidinger - Diplomarbeit Sehen Sie aus wie Ihr Hund

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Mensch-Hund-Beziehung äußerst negativ auswirken. Das ständige
Gerede führt laut dem bekannten Hundetrainer und Tierpsycholo­
gen Martin Rütter nicht selten dazu, dass der Hund das Gerede des
Menschen schlichtweg ausblendet und ignoriert. Spricht ein Mensch
also fortwäh­rend mit seinem Hund und auch bei Befehlen im Dogge­
rel - „Setzt du dich jetzt bitte hin“ anstatt von einem „Sitz“ - kann der
Hund nicht mehr unterscheiden, was wichtig ist und was nicht. Dar­
aus resultiert mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit eine Mensch-Hund-
Beziehung, bei der ein Teil ständig redet und der andere schlichtweg
nicht zuhört.
Dennoch gilt landläufig die Meinung, dass Hunde die Sprache ihrer
Menschen genau verstehen. Auf die Frage „Glauben Sie, Ihr Hund
versteht, was Sie sagen?“ antworteten 70% der befragten Hundebe­
sitzer mit einem eindeutigen „Ja“ und nur 28% differenzierten das
Verständnis unserer Sprache durch den Hund detaillierter. Einige Hun­
dehalter sagten sogar: „Ja, sie will es nur oft nicht verstehen“, „jedes
Wort“ oder „ja, aber nur wenn er will.“ Die genauen Zahlen sind in
Abb. 5 ersichtlich.
Eine bestmögliche Passform zwischen den Persönlichkeiten von Hund
und Mensch ist zwar ein idealer Ausgangspunkt für eine harmonische
Verbindung, allerdings keine Garantie dafür. Gründe für eine nicht-
funktionierende Paarung gibt es viele, allen voran muss hier die Ver­
menschlichung des Hundes als Grundübel genannt werden. Diese ist
nicht selten die Ursache fast allen hundlichen Fehlverhaltens.
Eine Form, den Hund zu vermenschlichen, ist die Sprache. Der Psy­
chologe Coren befragte in einem Workshop fünfzig Hundebesitzer,
ob sie mit ihren Hunden sprechen (nicht nur Befehle). Alle Hundebe­
sitzer gaben zu, mit ihren Hunden zu reden. Alle sagten, dass sie für
gewöhn­lich den Hund begrüßen bzw. sich von ihm verabschieden.
Eine weitere gängige Art der Unterhaltung besteht darin, dem Hund
Komplimente zu machen und sein Verhalten zu kommentieren. Eben­
so gaben die meisten Teilnehmer des Workshops an, den Hund nach
seinen Wünschen wie etwa „Möchtest du spazieren gehen?“ oder
„Willst du etwas Feines?“ zu fragen. Auch Fragen an den Hund, ob er
meinte, es würde regnen, sind dabei nichts Ungewöhnliches.
Die Wissenschaftlerinnen Hirsh-Pasek/Treiman fanden heraus, dass
die Art, wie Menschen mit Hunden sprechen, der Babysprache sehr
ähnlich ist und nannten diese Sprachform Doggerel. Während Äuße­
rungen zu Menschen aus ungefähr zehn Wörtern bestehen, belaufen
sich jene dem Hund gegenüber auf etwa vier Wörter. Wir sprechen
mehr in Imperativen und Kommandos, wie zum Beispiel „Geh vom
Sofa runter!“ und stellen unserem Hund doppelt soviele Fragen wie
anderen Menschen, obwohl wir keine Antwort erwarten. Gleicherma­
ßen ist die Verwendung von Pseudofragen und Diminutiven wie „Fres­
schen“ oder „Bällchen“ gängig. Das Doggerel zeichnet sich durch eine
höhere Tonlage und eine überzeichnete Satzmelodie aus. Es ist eine
Art geselliges Blabla und die Tatsache seiner Existenz deutet darauf
hin, dass Menschen in gleicher Weise sozialen Austausch mit ihrem
Hund suchen wie sie dies mit anderen Menschen oder jedenfalls mit
Kindern tun. Dass der Hund aus dieser Sprache etwas lernt, scheint
jedoch ziemlich belanglos zu sein.
Wer selbst Hundebesitzer ist, kennt diese Form mit Hunden zu spre­
chen eventuell aus eigener Gewohnheit bzw. findet daran auch nichts
Verkehrtes. Dennoch kann diese Form mit dem Hund zu sprechen
zu einer Art „Dauerbeschallung“ für ihn werden und sich auf die
Abb. 5