Seite 11 - Birgit Reidinger - Diplomarbeit Sehen Sie aus wie Ihr Hund

Basic HTML-Version

| 11
Es war auch üblich, Hunde zu bestatten und ihnen die schönsten Ste­
len und Grabinschriften zu widmen, die die innige Liebe zum verlore­
nen Tier bezeugten. Dies muss derart überhand genommen haben,
dass Aristoteles sich veranlasst sah, diese Menschen als protzige
Narren zu bezeichnen. Er war aber kein Hundegegner, sondern er
beschäftigte sich schon damals mit der Tierpsychologie und der In­
telligenz der Hunde. Ebenso beschäftigten sich die Menschen bereits
in der Antike mit der richtigen Haltung und Fütterung. Besonders
bei den Römern wurde der Hund für die Unterhaltung eingesetzt, im
Zirkus und Schauspiel, aber auch bei den blutrünstigen Tierhetzen
fand er seinen Einsatz, wenngleich hauptsächlich beim Einfangen der
wilden Tiere. Eine bedeutende Rolle hatte der Hund bei den alltägli­
chen Kulthandlungen und Riten in der Antike. Er war sowohl Begleiter
von Asklepios, Gott der Heilkunst, als auch von Hektate, Herrin der
Hexen, des Spuks und Zaubers. Auch dämonische Kräfte wurden dem
Hund zugesagt, als Kerberos, Wächter des Tors zur Unterwelt. Folglich
wurden Hunde auch als Gaben für die Götter geopfert oder als Heil­
kräfte gegen Krankheiten eingesetzt.
Im Mittelalter durchlebte der Hund gute oder extrem schlechte Zei­
ten, je nachdem zu welcher Gruppe er gehörte. Es gab edle und
schädliche Hunde. Zu den nützlichen und edlen Hunden zählten die
Jagdhunde des Adels. Zu Beginn des Mittelalters durften noch alle
Schichten jagen um ihre Existenz zu sichern, doch schon bald wurde
das dem gemeinen Volk komplett verboten. Die Jagd galt als vor­
nehmste Beschäftigung, demonstrierte die herrschaftliche Stellung
und machte einen wesentlichen Teil des höfischen Lebens aus. Im
Zeitalter des Absolutismus verkam die Jagd allerdings zu dekaden­
ten Prunk- und Großveranstaltungen mit einem riesigen Aufgebot an
Jagdpersonal und Hunden. Die Bauern hatten dabei die vornehmen
Herrenhunde zu versorgen und zu ernähren, obwohl sie selbst kaum
genug zum Überleben hatten.
Zur Gruppe der schädlichen Hunde zählten jene der Bauern. Sie durf­
ten nur Hunde halten, die für die Jagd als ungeeignet galten und der
Adel zwang sie, ihre Hunde zu knüppeln. Dies bedeutete, dass der
Hund einen fünfzig Zentimeter langen und schweren Knüppel um den
Hals zu tragen hatte, welcher ihm das Laufen unmöglich machte.
Eben­so tötete die Obrigkeit die Hunde der Bauern, hochoffiziell, zur
Eindämmung der Tollwut oder schrieb vor, dass die Sehnen der Hin­
terläufe ihrer Hunde zu Durchtrennen wären. Die Bauern reagierten
mit Aufständen und Nichteinhaltung und ließen die Herrenhunde ver­
hungern, verjagten oder verkauften sie. Wilderer galten in dieser Zeit
als edle Räuber und wurden verehrt. Diese Aufstände wurden jedoch
vom überlegenen Heer des Adels gnadenlos niedergeschlagen und
die Bauern wurden zu Leibeigenen der Grundherren. Die Aufklärung,
die auf verbesserte Lebensbedingungen der Untertanen drängte, half
schließlich das Jagdprivileg abzuschaffen und so sank auch die Anzahl
der Hunde, die ein Jäger hielt.
In den mittelalterlichen Städten existierten zuweilen katastrophale
hygienische Bedingungen und sie waren voll von streunenden Hunden
und Schweinen. Diese waren nicht unbedingt herrenlos, aber ihre
Besitzer konnten sich ihre Ernährung schlichtweg nicht leisten. Die
Obrigkeit sah dies als Plage an und versuchte zuerst mit der Einfüh­
rung der Hundesteuer den Bestand zu dezimieren, Hunde ohne Marke
wurden gefangen und getötet. Später stellte die Stadt Hundeschläger
an um die Hunde massenweise zu töten. Die Stadtbewohner waren
von den Hundefängern und deren Methoden so angewidert, dass es
zu Tumulten kam und die Schläger von der Polizei geschützt werden
mussten. So wurden die Hunde heimlich nachts gefangen und getö­
tet. Die Menschen wollten aber das Leid nicht mehr mit ansehen und
so kündigten sich neue Zeiten an. Der Mensch entwickelte im Über­
gang zur Neuzeit die Fähigkeit der Selbstreflexion und die Fähigkeiten
sich in andere Menschen und Tiere hineinzuversetzen.
Theologen und Philosophen trugen eine neue Vorstellung vom Tier als
Freund und Geschöpf Gottes in die Öffentlichkeit, das zwar vom Men­
schen genutzt werden könnte, aber nicht gequält werden dürfte. Sie
sagten, der Schutz der Tiere würde zur Verbesserung des menschli­
chen Charakters beitragen und sahen Tiere als Lebewesen mit Seele
an. Es gibt Anfang des 19. Jhdts zwar immer noch Gebrauchshunde,
bedauernswerte Kettenhunde und Streuner, die in den Städten um ihr
Leben fürchten müssen, aber zu dieser Zeit wird der Hund in Europa
zum Lieblingstier der Menschen. Nicht mehr der Stand, in den jemand
geboren wurde, sondern die finanziellen Mittel entschieden, ob er
einen Hund halten konnte. Es kam beim gut gesitteten Bürgertum,
beginnend in den europäischen Großstädten, zu einer Luxushunde­
haltung von Rassehunden zum puren Vergnügen ohne jeglicher Ge­
brauchsfunktion.