Seite 24 - Clauda Frühwald - Diplomarbeit Mode ohne Seele

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„Mach, was du willst, aber sorg dafür, dass es gut aussieht!“ soll
Andy Warhol seinem Schüler David LaChappelle gesagt haben - eine
Aussage, die Modefotograf LaChappelle sich wahrhaf zu Herzen
nahm und zu seiner Philosophie machte. Nirgends ist die Vergäng-
lichkeit und der Selbstzerstörungstrieb der Menschen präsenter als
in LaChappelles Kunstwerken. Man sieht sich seine digital aufge-
hübschten Bilder an und denkt sich: „Ultracool, das will ich auch!“,
ohne zu wissen, dass man eigentlich einen Albtraum vor sich hat.
La Chappelle zog Mite der 1980er Jahre nach New York, wo er als
Kellner, im damals legendären Nachtclub
Studio 54
, arbeitete. Dort
traf er eines Tages Andy Warhol, nutzte die Gelegenheit und sprach
ihn an. David erinnert sich: „Ich sagte ihm, dass ich Fotos mache.
Er sah mich an und sagte: ‚Du solltest besser Model werden.‘ Aber
dann hat er mich eingeladen, ihm meine Sachen zu zeigen.“ (htp://
tnyurl.com/64djngb)
Warhol erkannte LaChappelles Talent. So posieren in LaChappelles
Modeshoots Models lasziv im rosa Bonbonlook, aufgeputzt wie
Ballerinas vor einem vom Erdbeben zerstörten Haus, stehen vor
einer Sportlimusine inmiten eines niedergebrannten Waldes oder
starren apathisch sexy vor sich hin, währenddessen im Hintergrund
eine Sexorgie im Gange ist. (Siehe Fotos unten) Eine seiner Lieb-
lingsmusen ist Pamela Anderson.
Kaum jemand meistert den schmalen Grat zwischen Kunst und
Prosttuton so souverän wie LaChappelle. In seiner Fotowelt, so
beschreibt es die
Frankfurter Allgemeine FAZ.NET
in der Jänneraus-
gabe 2011, ist „Porno der bucklige Verwandte aller großen Kunst“,
was LaChappelle den Titel „der Fellini der Fotografe“ einbrachte.
In einigen von LaChappelles Modebildern spielen biblische Ele-
mente eine bedeutende Rolle. (Siehe unten, viertes Foto von links.)
Inmiten einer farbenprächtgen Modeszene entspringt ein anmu-
tger, schöner Jesus mit Heiligenschein in einer Welt aus Schwarz
und Weiss, dazwischen ein Junge mit elfenbeinfärbiger Haut - das
Resultat, das Bindungsglied dieser beiden verschiedenen Welten. In
David LaChappelles Modefotos wird nicht bloß abgebildet, sondern
symbolisch gezeigt - Mensch, Mode, Religion und Alltag. Auf die
Frage, ob er religiös sei, antwortet LaChappelle: „Die Kirche steht
bei mir ja schon im Namen. Jesus ist ein Popstar, deswegen zeige
ich ihn auch. Allerdings mache ich mich keineswegs über ihn lustg.
Ich mache mich nie lustg über die Leute in meinen Bildern, ich
respektere sie. Sorge dafür, dass es gut aussieht.“ (htp://tnyurl.
com/64djngb)
So hat David LaChappelle auch die Ikonen der Popkultur vor die
Kamera geholt, von Michael Jackson bis hin zu Lil Kim und zugleich,
ohne zu Zögern die dunklen Seiten dieses Business illustriert. Mit-
lerweile hat LaChappelle der Popkultur den Rücken gekehrt: „Ich
nehme mir jetzt ein Sabbatcal. Ich bin einfach müde. Und wenn ich
irgendwann etwas Neues mache, dann wird es nichts mit Popkultur
zu tun haben. Dazu habe ich einfach alles gesagt, was ich zu sagen
hate.“
David LaChappelles Modebilder 2005 - 2010
David LaChappelle vor einem seiner biblischen Werke
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Auch in Terry Richardsons Modebildern spielt Sexualität eine
wichtge Rolle. Der 1965 in New York geborene Fotograf wuchs in
Hollywood als Sohn eines Modefotografen und einer Designerin auf
und wurde somit früh mit der Modewelt vertraut. Bekannt wurde
Richardson mit seiner sexuell provozierenden Modefotoserie für die
Modemarke Sisley, einer Tochterfrma Benetons, für welche er von
1997 bis 2008 fotograferte. Richardson will bewusst schockieren.
Ähnlich wie der italienische Modefotograf Oliviero Toscani in den
1990ern für das Modelabel Beneton (siehe Kapitel: Was vermiteln
Modefotos?), will Richardson die Aufmerksamkeit auf sich ziehen.
Während Toscani mit Bildern von Aidskranken, Magersüchtgen und
erschossenen Mafabossen schockierte, provoziert Richardson mit
ausschließlich sexuellen Motven. „Richardson knipst (wahrhafig),
was ihm vor die Linse kopuliert - oder so tut.“ (htp://www.spiegel.
de/kultur/gesellschaf/0,1518,270552,00.html) Sein Stl ist umstrit-
ten und wurde von der englischen Zeitung
Guardian
als „sof porn“
bezeichnet. (htp://de.wikipedia.org/wiki/Terry_Richardson) Dabei
ist Richardsons Absicht klar defniert:
Mit meinen Bildern möchte ich die Leute entweder zum Lachen
bringen oder sie provozieren. Ich möcht, dass sie kurz anhalten und
sich das Motv anschauen. Ich habe mir einen Namen mit sexuellen
oder provokanten Motven gemacht. Ich bin nicht daran interes-
siert für Pornomagazine oder Pornoflme zu arbeiten. Mir wird das
ständig angeboten, aber ich möchte eher in einem kommerziellen
und künstlerischen Zusammenhang arbeiten und Grenzen neu aus-
testen. Motve veröfentlichen, die mich interessieren. Also Grenzen
neu setzen, auch in einem kommerziellen Namen.
(htp://www.arte.
tv/de/20050203/785304,CmC=785564.html)
Richardsons provokant-sexuelle Bilder kommen gut an. So fotogra-
ferte er nicht nur für Sisley, sondern auch Gucci, Armani, Supreme,
Levi‘s, Hugo Boss, Anna Molinari, Baby Phat und Matsuda zählen
zu seinen Kunden. Seine Arbeiten sind laufend in Zeitschrifen wie
Vogue
,
Vice
,
Harper‘s Bazaar
,
The Face
,
Dazed & Confused, GQ
zu sehen. Neben seinem Markenzeichen Brille und Schnauzbart,
wirkt sein fotografscher Stl im Gegensatz zu LaChappelles Aufnah-
metechnik amateurhaf, roh und direkt. Rote Augen bei Blitzlicht-
Schnappschüssen gelten als im Honorar inkludiert und fördern die
Authentzität. Richardsons nackter Realismus ist ofensichtlich.
Terry ist Minimalist, er verzichtet auf künstlichen Schnickschnack
und fotografert mit einfachsten Miteln, was ihm vor die Linse
kommt. Nicht selten springt Terry ins Bild, wird vom Voyeur hinter
der Kamera zum Akteur vor der Kamera und amüsiert sich mit den
Models. Richardsons Stellungnahme zu seiner spontanen Technik
und seinen ironisch-komischen Selbstportraits: „Ich fotografere
sozusagen mein Leben. Nichts anderes. Wenn andere glauben, das
sei Werbung, sollen sie.“ (htp://www.spiegel.de/kultur/gesellsc
haf/0,1518,270552,00html.) Seine freizügige, ofene Art brachte
ihm jedoch auch Schwierigkeiten. Im März 2010 kam Richardson in
die Schlagzeilen. Ihm wurde sexuelle Ausnutzung junger weiblicher
Models vorgeworfen. Ausgelöst von Supermodel Rie Rasmussen - er
nutze die Macht als Fotograf aus, um junge Mädchen zu Nackfotos
zu bewegen und mit ihnen zu schlafen - geriet Terry zwischen die
Fronten. Er ofenbart: „Ich glaube nicht, dass ich sexsüchtg bin,
aber ich habe schon Probleme.“ (htp://de.wikipedia.org/wiki/Ter-
ry_Richardson) Terry Richardson bleibt und ist das „enfant terrible“
unter den Modefotografen des 21. Jahrhunderts - berüchtgt für sei-
nen provokanten und empörenden künstlerischen Ansatz, der sein
Markenzeichen verkörpert.
In einer Zeit, in der modetechnisch alles erlaubt ist, mehrere Stle
miteinander kombiniert werden, keine Vorschrifen gelten und coo-
le trendige Mode von Modeketen wie Zara, H&M und Mango auch
von weniger Betuchten konsumiert werden kann, setzen sogenann-
te „Modeblogs“ Akzente. Es handelt sich dabei um Schnappschüsse
mit dem Handy oder der Kompaktkamera, die tagebuchartg die
neuesten Modetrends auf der Straße festhalten. Junge Leute wer-
den in ihrem Streetstyle abgelichtet und ins Internet gestellt. Heute
wird Mode nicht mehr nur in hochpreisigen Modezeitschrifen, wel-
che in zahlreichen und engen Abhängigkeitsverhältnissen zu ihren
Werbekunden stehen und durch fxe Schönheitsideale geprägt sind,
vermitelt. Die Streetstyle-Fotografe entwickelte sich in den 1980er
Jahren und etablierte sich mit der Gründung diverser Streetstyle-
Blogs seit 2005 nun als populäre Inspiratonsquelle.
Fashionfotos by Terry Richardson für das Modelabel Sisley 2008
Modeaufnahme von Terry Richardson
Terry Richardson nackt mit Model
am Strand
Terry‘s Selbstportrait