Seite 22 - Clauda Frühwald - Diplomarbeit Mode ohne Seele

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In den 40er und 50er Jahren des 20. Jahrhunderts erobern die mo-
dischen Linien von Christan Dior, ausgehend vom New Look 1947,
die Laufstege und Schränke der Schönen und Reichen. Längere,
femininere Röcke, sanfere Schulterlinien und Schuhe mit hohen
Absätzen waren angesagt, im Gegensatz zur eher maskulinen Da-
menmode der Kriegsjahre. „Mit dem New Look gab Dior der Welt“,
so der Modejournalist Markus Ebner in seinem Artkel „Mode nach
der großen Depression“
,
„einer dem Stundenglas ähnelnde Silhou-
ete, Hofnung in Form eines Kleides, das mit frischen Farben und
Drucken die mühselige Aufarbeit leichter zu machen schien. Das
war es, was den Menschen auf der Seele lag, und selbst deutsche
Trümmerfrauen zupfen sich ihre Schürzen an der Taille zurecht,
damit es nach Paris aussah.“ (Markus, Ebner,
Rotary Magazin
2010:
40) Die Menschen sehnten sich vor allem in Europa nach einer
modischen Veränderung. Christan Dior nutzte die Gelegenheit und
warb für seine Mode, in Szene gesetzt von Topfotografen wie etwa
Helmut Newton oder Richard Avedon.
Sichtlich inspiriert von Louise Dahl-Wolfes Elefanten-Modeshootng
in Afrika, kreierte Avedon in den Anfängen seiner Karriere als Mo-
defotograf sein wohl bekanntestes Bild zur Dior Kollekton. Es zeigt
das amerikanische Fotomodell Dovina 1955, posierend in einem
Stall vor angeketeten Zirkuselefanten. Interessant jedoch ist, dass
Avedon im Gegensatz zu Helmut Newton, die Modefotografe als
angenehme Aufgabe, mit der er sein Geld verdiente, bezeichnete.
Sie war keineswegs eine tefe Leidenschaf. So berichtet Leonie
Radine in ihrem Beitrag „Richard Avedon: Bilder ohne Menschen
kann ich nicht“ für
Art Das Kunstmagazin:
„Der schöne jugendliche
Schein der Glamourwelt interessierte Avedon nicht wirklich. Schön-
heit sah er vielmehr in vom Leben gezeichneten Gesichtern, in de-
nen sich Seelenlandschafen ofenbaren. Seine wahre Passion war
die Portraitotografe, die weit über die bloße Abbildung der ober-
fächlichen Glamour-Welt hinausging.“ (htp://www.art-magazin.de/
kunst/11493/richard_avedon_berlin) Besonders stark drückt sich
seine Haltung gegenüber der Modewelt in einem seiner Bilder aus.
Es zeigt ein schönes Model vor einem Spiegel stehend. Der Spiegel
ist in der Mite gebrochen, sodass man das Mädchen nur halb sieht,
die andere Hälfe des Models wird von einem Skelet im Herren-
anzug überdeckt. (Siehe Foto unten) Avedon verweist somit auf
das Verfallsdatum, dem Mode und Model, gepuscht vom Wandel
der Zeit, unterliegen. Nichts ist von Dauer, alles ist vergänglich, der
Glamour ist zeitlich beschränkt und nur an der Oberfäche sichtbar.
Avedons Symbolik wird klar transportert. Avedon sah Fotografe als
psychologischen Prozess, der die Menschen vor seiner Kamera dazu
brachte, aus sich herauszugehen, ihre Eitelkeit zu überwinden und
ihr wahres Gesicht zu zeigen. Avedon verzichtete auf aufwändige
Lichtnszenierungen und individuelle Kulissen. In seinem Studio
zählte nur „sein Gegenüber, das sich seinem voyeuristschen und
zugleich psychologischen Blick aussetzte“. (htp://www.art-magazin.
de/kunst/11493/richard_avedon_berlin) So war auch er es, der in
den 1960er Jahren Supermodel Twiggy portraiterte und in Minimo-
de von Mary Quant ablichtete. Der Modefotograf höchst persönlich
hüpfe ins Bild und posierte gemeinsam mit Twiggy. (Siehe Bild
unten)
In den 1960er Jahren ging der Einfuss der Haute Couture zurück.
Die Designermode spaltete sich in dieser Zeit mit der Entstehung
der Prêt-á-porter - der Haute Couture von der Stange - als klar def-
niertes Produkt von der Konfekton ab. Zum ersten Mal brachte die
Jugend ihre eigene Mode hervor und Modemarken begannen ihre
Kollektonen mit einem Image zu versehen, das einzelne Gruppen
zielgerichtet ansprach. Der Erfnder der Prêt-á-Porter, Yves Saint
Laurent schickte 1962 die ersten Models in transparenten Chifon-
blusen - der sogenannten „Nude Look“ war geboren - vor das ge-
schockte Publikum. Nach 1964 war die Minimode von Mary Quant
topaktuell. Kultmodel Twiggy machte den Look zum Markenzeichen
einer ganzen Generaton. Die Röcke wurden immer kürzer, und
die Mode spiegelte die Einfüsse der Pop-Art sowie der Raumfahrt
wieder. Beeinfusst von Raumfahrtsraketen der 1960er, inszenierte
Helmut Newton, einer der schrillsten Modefotografen der dama-
ligen Zeit, 1966 eine Modefotoserie für die englische Zeitschrif
Queen.
Newton hate die Idee eine Frau in einem kleinen Zimmer
vor einem Fenster abzubilden, während draußen vor dem Fenster
ein Horrorszenario abläuf - startende Raketen, Donner und Blitz.
(Siehe Fotos Seite 43) Die Flugzeuge und Raketen wurden als Foto-
montage eingebaut. Als jedoch Jocelyn Steven, der Eigentümer von
Queen
, welcher gerade aus dem Urlaub zurückgekehrt war, die Auf-
nahmen sah, brüllte er: „Das kommt mir nicht in meine Zeitschrif
- auf dem Boden liegende masturbierende Frauen, währenddrau-
ßen vor dem Fenster Phallussymbole explodieren!“ (Newton, 2002:
263) Damals noch ein Skandal, heute würden Aufnahmen dieser
Art nichts mehr Anrüchiges darstellen. Doch Newton war es bereits
gewohnt auf derartge Reaktonen zu stoßen. Er hate den Durch-
bruch längst geschaf. Mit seinem Einrit in die
französische Vogue
konnte ihm nichts mehr im Wege stehen. Seine Ziele und Absichten
waren klar defniert: „ Und dann kam der Durchbruch. Ich ging
zur
französischen Vogue
, und meine Karriere geriet in Schwung.
Dreiundzwanzig Jahre lang machte ich meine besten Aufnahmen
für die
französische Vogue
, (...) Inzwischen wagte niemand mehr,
mich herumzukommandieren. Ich wusste genau, was für Fotos ich
machen wollte. Und die anderen wussten: Wenn sie mir einen Auf-
trag gaben, bekamen sie Bilder, die ziemlich sexy waren.“ (Newton,
2002: 208) Fasziniert von schönen Frauen und magisch angezogen
vom Rotlichtmilieu, wo er sich of Inspiratonen holte, verwirklichte
er seinen Traum und lebte für seine Leidenschaf - die Fotografe.
Of kritsiert und von Feministnnen als Frauenhasser, Rassist und
Faschist verschrien, zeigt sich nun an der Wende des 20. zum 21.
Jahrhundert, da Newtons Fotos nicht mehr schockieren, weil uns
die Vermitlung unserer Geschichte durch das Fernsehen an eine
unmitelbare unrealistsche Gewaltdarstellung gewöhnt hat, dass
da noch etwas anderes, tefgründigeres liegt. Der französische
Journalist Francoise Marquet spricht in diesem Zusammenhang von
einem starken, unabhängigen, gesunden, krafvollen Frauenbild,
welches in Newtons Fotografen zum Ausdruck kommt. Frau macht
das, was sie will, lässt sich nichts mehr vorschreiben.
Der Beitrag Helmut Newtons zur Geschichte der Fotografe des 20.
Jahrhunderts besteht nicht nur in der Provokaton, sondern auch
in jener antzipatorischen Intuiton, jenem Vorstellungs-vermögen,
jenem Gespür, mit dem er die Frau so sichtbar werden lässt, wie
sie sich im beginnenden driten Jahrtausend darstellt: eine, die
das Spiel eher bestmmt als sich ihm unterzuordnen, die liebt und
begehrt, wann sie will, wen sie will und wie sie will, voller Kraf
und Gesundheit, in einem Körper, den sie beherrscht, muskulös und
strahlend vor Vitalität. Es ist eine eigenverantwortliche, der Lust
fähige Frau. In Vorwegnahme der selbstbestmmten Sexualität sind
die Frauen in Newtons Welt begehrende Subjekte, weit enternt von
der schwachen Frau als Objekt, das von starken, Frauen verachten-
den, machohafen Männern dominiert wird. Zum ersten Mal in ihrer
Geschichte dürfen die Frauen selbst über ihre Sexualität bestmmen,
42
IV. MODEFOTOGRAFIE IN DER 2. HÄLFTE DES 20. JAHRHUNDERTS
Supermodel Twiggy in den 60‘s
frühe Arbeiten von Richard Avedon für Dior um 1955
Model vor Spiegel
Twiggy im Mini, posierend mit Avedon
eine Sexualität, die nicht mehr zwangsläufg an die Muterschaf
gebunden ist.
(htp://www.hoenicke.info/index.asp?cid=3144bid=2)
Newton liebte es mehrere Frauen auf einem Foto abzubilden. Beine
in schwarzen Strümpfen und High heels sind omnipräsent in seinen
Werken. Er verstand es geschickt Akt, Portrait und Mode, drei ver-
schiedene Genres, miteinander zu vermischen. Newton liebte das
Rollenspiel. So ließ er seine Models fast immer in ganz bestmmte
Rollen schlüpfen, die sie vor der Kamera auslebten. Frauen in Män-
nerkleider war eines von Newtons Lieblingsthemen. So fotografer-
te er 1979 für die französische
Vogue
Frauen in Männerkleidung
und berichtete dazu in seiner Autobiografe:
Seit einiger Zeit ging mir diese Idee im Kopf herum: Bilder von Män-
nern und Frauen, nur dass es sich bei den Männern um verkleidete
Frauen handelte. Aber die Illusion muss so perfekt wie möglich sein,
der Betrachter soll verwirrt werden. Diese Ambiguität Mann-Frau
hat mich schon immer fasziniert, also legte ich die Idee Kargère
vor, dem Art Director der französischen Vogue, und sie gefel ihm.
Jetzt sind wir also hier im Souterrain des George V, die Mannfrauen
sehen wunderbar aus, ihre Taillen in den eleganten Anzügen sind so
eng geschnürt, dass sie kaum Luf bekommen, ihr kurz geschnitenes
Haar ist pomadisiert, und die einzigen sichtbaren weiblichen Merk-
male sind ihre schönen Hände. Mir macht die Arbeit großen Spaß,
aber das Vergnügen ist einseitg. Im Verlauf der Sitzung, den ganzen
weiten Tag hindurch, werden die Mädchen immer depressiver, sie
mögen die Rollen nicht, die sie spielen müssen. Am Schluss sagen
sie: „Heute Abend ziehen wir unsere besten Kleider an, legen eine
Tonne Make-up auf und gehen mit den Jungs tanzen!“.
(Newton,
2002: 292-293)
Sichtlich inspiriert von der Mode der 1970er und 1980er Jahre
kreierte Newton seine Ideen. Der Modeschöpfer Yves Saint Lau-
rent begann Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre Frauen
in Männeranzüge zu stecken, ganz so wie es Marlene Dietrich in
Hollywood vorgemacht hate, und sorgte dafür, dass die Gleichheit
zwischen den Geschlechtern vorankam. Besonders aufallend sah
das für einen kurzen Moment in den 1980er Jahren aus, als Frauen
mit protzigen Schulterpolstern Einzug in die oberen Chef-Etagen
hielten. Und genau in dieser Zeit prägte Newton mit seinen Foto-
grafen das Bild der starken, unabhängigen Frau.
Während Newton es liebte seine Models zu verkleiden und in
bestmmte starke Rollen zu stecken, verzichtet Peter Lindbergh
gänzlich auf zu viel Make-up, Glamour und Accessoires. In seinen
Modeshootngs spielt das Gesicht der Frau fast immer die Hauptrol-
le. Ausstrahlung, Individualität und Persönlichkeit stehen im Vorder-
grund seiner Modeaufnahmen. Lindberghs bekanntestes Statement
dazu: „ Für mich ist es das größte Kompliment, das man meinen
Bildern machen kann, wenn Models sagen, wir erkennen uns darauf
wieder.“ (Martn, Harrison.
Images of Women
. 1997: 1) Stlprägend
war Peter Lindbergh mit seinen Modeaufnahmen vor allem in den
1990ern. Seine Schwarz-Weiß Fotografen zierten Werbekampag-
nen für Giorgio Armani, Donna Karan, Jil Sander, Calvin Klein und
Prada. Plötzlich waren Models eben nicht nur Models - die Liga der
Supermodels war geboren. Sie haten alle Namen - Linda Evan-
gelista, Christy Turlington, Tatjana Pattz, Cindy Crawford, Claudia
Schifer, Naomi Campbell und Helena Christensen - und wurden
über Nacht berühmt. Modezar Karl Lagerfeld nennt sie die „Stars
der 1990er“. Nur dass diese Stars keine Filmdiven wie einst Marylin
Monroe oder Rita Hayworth mehr waren, sondern Fashionmodels
mit ausdruckstarken Gesichtern, die als Stlikonen den Ton der
1990er Jahre angaben. Auf die Frage, was denn ein gutes Modefoto
sei, antwortet Peter Lindbergh, rückblickend auf seine 30-jährigen
Erfahrungen als Modefotograf, in einem Interview der Zeitschrif
Spiegel
im August 2010: „Wenn es nur um Mode ginge, sollte man
Kleider besser vor einem weißen Hintergrund ablichten. Es geht
aber um die Frau: Ein gutes Modefoto ist ein trefendes Portrait ei-
ner tollen Frau.“ (htp://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,709747,00.
html)
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Helmut Newton für
Queen
1966
Helmut Newton, Frau in
Männerkleidung 1979
Helmut Newton, Frauen
in Strümpfen und High heels.