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Die Ausführungen der mitwirkenden Hundehalter dieses Projekts zei
gen sehr schön, welch eine bedeutsame Rolle der Hund im Leben
eines Menschen spielen kann. Die Menschen können in seiner Gegen
wart ihre Gesellschaftsmaske ablegen. Seine vorurteilslose Akzep
tanz, seine Anhänglichkeit und Fröhlichkeit wirken wie ein psychisches
Tonikum auf seine Halter. Der Hund bestätigt den Menschen in seiner
Wertigkeit und hilft, die negativen Auswirkungen der Alltagsstresso
ren zu neutralisieren.
So verbessern sich der Gesundheitszustand und das Wohlbefinden
frisch gebackener Hundebesitzer innerhalb von sechs Monaten deut
lich. Aus medizinischer Sicht ist das Halten eines Hundes speziell bei
Kreislauferkrankungen, Depressionen und Einsamkeit gesundheitsför
dernd. Hunde aktivieren ihre Menschen körperlich, geistig und sozial.
Für alte oder einsame Menschen sind sie nicht selten Lebensmotivator
und bei behinderten und dementen Menschen finden sie heilsame
Zugänge, welche bei tierlosen Therapien nicht erzielt werden können.
Die Hundehaltung kann also sowohl für den Einzelnen als auch für die
Gesellschaft eine Bereicherung darstellen. Dies gelingt allerdings nur
durch artgerechte Beschäftigung und Erziehung, basierend auf einer
kompatiblen Hund-Mensch-Paarung.
Ähnlichkeiten in der grundlegenden Kommunikation und Stimmungs
übertragung von Hund und Mensch, welche scheinbar für ihre Freund
schaft eine bedeutende Basis bilden.
In einem Experiment des Forscherpaars Menzel hat sich bei Wildhun
den gezeigt, dass diese eine vorgeprägte Eignung zur Zähmung auf
weisen. Nachdem sie einen wilden Pariahund mittels einer läufigen
Hündin in ihren Garten gelockt hatten, brauchte dieser nur zwei Wo
chen um sich wie ein normaler Haushund zu benehmen. Eine gewagte
Behauptung besagt also, dass der Hund durch tausendjährige Selekti
on das Bild des Menschen als „zweiten Artgenossen“ schon genetisch
in sich trage. Dies scheint insofern nicht abwegig, da auch Hütehunde
genetisch auf Schafe oder Jagdhunde auf spezielle Wildtierarten ge
prägt sind. Zwar müssen Welpen rechtzeitig mit Menschen in Kontakt
kommen, doch dann scheinen sie im Allgemeinen am Umgang mit
Menschen stärker als mit ihren Artgenossen interessiert zu sein. Auch
Charles Darwin sagte: „Es ist kaum ein Zweifel daran möglich, dass
die Liebe zum Menschen für den Hund instinktiv geworden ist.“
Der Hund wird aufgrund seiner Präferenz zum Menschen auch als
Wesen mit zweifacher Identität bezeichnet. Die Selektion in seinem
Erbgut ermöglicht ihm erstaunlicherweise, den fast immer richtigen
Umgang mit dem Menschen. Seine Bindung an den Menschen ist be
dingungslos, welche selbst durch schlechte Behandlung nicht zerstört
wird. Hunde sind von Natur aus neugierig und suchen das Abenteuer,
sie vergöttern den Menschen und haben an ihm nichts auszusetzen.
Ihr Wesen und ihre genetische Veranlagung haben sie zum oftmals
zitierten „besten Freund“ des Menschen gemacht.
Im Zusammenhang mit dieser Arbeit wurden die fotografierten Hun
dehalter gefragt, was ihnen ihr Hund bedeute. Erstaunlicherweise
antwortete beinahe die Hälfte aller befragten Personen auf diese Fra
ge mit einem Wort: „Alles“. Für die restlichen Hundebesitzer ist der
Hund Familienmitglied, Partner- oder Kinderersatz und für lediglich
vier Prozent ist er „nur“ ein Freizeitpartner. Es scheint also, dass nicht
nur der Hund den Menschen vergöttert, sondern dieser ihn ebenso.
Einige Antworten auf die schon erwähnte Frage lauteten: „Alles, ich
liebe sie!“, „Mein Leben!“ oder „Sie sind meine Kinder, meine Freunde
und oft meine Klagemauern, aber auch meine Fitnesstrainer.“ Eine
detaillierte Auswertung der Antworten ist in Abb. 6 zu sehen.
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Abb. 6