Seite 89 - Birgit Reidinger - Diplomarbeit Sehen Sie aus wie Ihr Hund

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zwar jene Personen mit größter Attraktivität bevorzugen würden und
uns den optimalen „optischen“ Partner wünschen, aber nur jenen be­
kommen, der uns selber ähnlich ist. Folglich sind die erfolgreichsten
Paarbildungen jene mit ungefähr gleichem Attraktivitätsgrad (Walster
et al., 1966). Eine wei­tere Erklärung besagt, dass sich unähnliche
Paare erst gar nicht kennenlernen, da sich ein großer Teil bei der Ar­-
beit oder bei Freizeitaktivitäten begegnet und sich gemeinsame Inte­
ressen automatischer ergeben (Mikula/Stroebe, 1991). Für die Wis­
senschaft scheint ausreichend bewiesen, dass bei der Partnerwahl
keine Zufallspaarung stattfindet, sondern eine systematische Abwei­
chung, welche als Assortative Mating bezeichnet wird (Vandenberg,
1972).
Demnach sind sich Menschen sympathisch, weil sie Übereinstimmun­
gen feststellen. Aber wie kann dies für die Auswahl einer Hunderasse
entscheidend sein? Dr. Stanley Coren schreibt in seiner Ausführung
dazu, dass Hunde wohl kaum politische oder religiöse Überzeugungen
hätten, welche mit jenen der Menschen harmonieren könnten. Aller­
dings sagt er weiter, haben Hunde sowohl eine Persönlichkeit und Ein­
stellungen. Er findet es denkbar, dass diese, so wie bei den mensch­
lichen Partnerschaften, eine bedeutsame Rolle bei Paarbildung­en
spielen. Daraus lässt sich folgern, dass eine Auswahl anhand der Ähn­
lichkeit der Temperamente stattfindet. Dies scheint durchaus möglich,
aber noch ein weiterer Faktor könnte eine relevante Bedeutung dar­
stellen, und zwar der Vertrautheitseffekt.
Dieser Effekt, auch Expositionseffekt, tritt ein wenn wir Dingen, Mus­
tern oder Gesichtern nur lange genug ausgesetzt sind. Ein gutes
Bei­­spiel hierfür ist der Pariser Eiffelturm, ein riesiger Turm aus Stahl
inmitten einer Stadt voll Stein und Marmor. Die Leute mochten den
Turm nicht und dachten laut über den Abbau nach. Heute verzeichnet
die Sehenswürdigkeit doppelt so viele Besucher wie der Louvre und
dies ist dadurch zu erklären, dass die Zuneigung wuchs je vertrauter
der Turm den Leuten wurde. Sieht der Mensch eine Sache nur lang
genug mag er diese lieber.
Dieses Phänomen
trifft auch auf unser eigenes Gesicht zu, da wir es
permanent sehen. Ein Versuch zeigte, dass Menschen ein gespiegel­
tes Foto von sich selbst lieber mögen als ein seitenrichtiges Foto. Per­
sonen, die uns nahe stehen, finden wiederum ein Foto mit den richti­
gen Seitenverhältnissen gelungener als ein gespiegeltes Abbild. Dies
könnte also erklären, warum Menschen sich einen Hund anschaffen,
der ihnen in einer gewissen Art ähnelt. Es wäre möglich, dass zum
Beispiel der Schnitt des eigenen Gesichts in einer Weise mit jenem
der ausgewählten Hunderasse übereinstimmt.
Um diese Theorien weiter zu beleuchten unternahm Coren 1999 fol­
genden Versuch an der Universität von British Columbia. Er zeigte
104 Studentinnen Bilder von vier unterschiedlichen Hunderassen.
Einen Beagle und einen English Springer-Spaniel, beide haben lange
Hängeohren, und einen Sibirischen Husky und einen Basenji, Rassen
mit kurzen Stehohren. Die Studentinnen wurden gebeten, die Hunde
nach dem Äußeren, der Intelligenz, der Treue und Freundlichkeit zu
bewerten. Danach sollten sie anhand von Schemabildern von Frisuren
jenen Typ auswählen, welcher ihrer eigenen Frisur am nächsten kam.
Die Frauen wurden in zwei Gruppen eingeteilt: Frisuren mit längerem
Haar, welches Ohren bedeckt und Frisuren mit langem oder kurzem
Haar, welches die Ohren frei lässt. Es stellte sich heraus, dass Frauen
mit längerem Haar im Allgemeinen den Beagle und Springer-Spaniel
als liebenswerter, freundlicher, treuer und intelligenter einstuften.
Jene Frauen, deren Frisur die Ohren frei ließ, bevorzugten hingegen
die Rassen mit Stehohren.
Diese Ergebnisse könnten durch den schon beschriebenen Vertraut­
heitseffekt begründet sein und dennoch warnt Coren davor, dies als
ausreichende Bestätigung heranzuziehen, dass Menschen wie ihre
Hunde aussehen. Im Beispiel von Winston Churchill gibt es eine breite
Öffentlichkeit, die behauptet, er hätte wie seine Bulldogge ausgese­
hen. Dieser liebte jedoch innig seinen Pudel Rufus und hatte nie eine
Bulldogge. Die Engländer betrachten jene als Symbolbild für ihr Land
und da Churchill im öffentlichen politischen Interesse stand und von
seiner eigenen Physiognomie diesem Hund ähnlich sah, besaß er auch
automatisch eine Bulldogge.
Aber nicht nur Coren befasste sich mit Studien zur Volksweisheit „Wie
der Herr, so’s Gescherr“. Die Wissenschaftler Roy/Christenfeld von der
Universität Kalifornien in San Diego unternahmen 2004 einen Versuch
mit einer unterschiedlichen Methode wie Coren. Sie wollten herausfin­
den, ob es Betrachtern möglich wäre, anhand von Abbildungen Hunde