JURY STATEMENT ::: STUDENT RESIDENCY

Die Prager Fotoschule Österreich  &  Cité de l‘image

freuen sich die Stipendiatin und den Stipendiaten für die
Student Residency in Clervaux bekanntzugeben!

Wir gratulieren Claudia Dorninger-Lehner (Diplomlehrgang 2014/2015)
und Rob Bensky (Lehrgang 50) zum Arbeitsaufenthalt in Luxemburg im September 2016 !

Die beiden konnten die Jury, sowohl mit ihrem Portfolio als auch mit ihrem Konzept, für Clervaux überzeugen.

Hier das Jurystatement von Annick Meyer (Cité de l’image):
Aus Ihrer Bewerbung konnten wir herauslesen, dass Sie sich im Vorfeld mit Clervaux
befasst haben. Die schriftliche Ausführung, sowie die Recherche über die ortsbezogenen
Möglichkeiten untermauert Ihre Motivation. Diesen Punkt begrüßen wir.

Weiter haben Ihre Bewerbungen uns vermittelt, dass Sie sich beide in dieses neue
geografische Umfeld eindenken können: für Frau Dorninger, ein bereits existierendes
Projekt, das zur Weiterführung antreibt, jedoch in einer neuen, kontextbezogenen Form
eine Erweiterung des Bestehenden verspricht und für Herr Biczysko, die Infragestellung
von musealen Vermittlungsstrategien, oder das technische Experimentieren auf
subjektiver Ebene und in lokalem Dekor, sind alles Ansätze mit denen Sie an Ort und
Stelle Ihre Arbeit sicherlich fließend einleiten können.

Zur Einreichung von Claudia Dorninger-Lehner:
Die Arbeit „Vier Sekunden Gegenwart“ zeigt fast abstrakte Bilder, die durch ihren
linearen Rhythmus bestechen – ähnlich wie die ersten, vagen Skizzen eines Architekten,
der versucht eine grobe Masse aus dem Raum zu schälen und flüchtige Ideen in Form zu
bringen. Die reduzierte und doch abgestimmte Farbgebung bricht mit dem leicht
futuristischen Charakter der Fotografien. Ihre Recherche spiegelt nicht nur die
Betriebsamkeit des aktuellen Zeitgeistes wider, sondern konkret auch die Dynamik von
heutigen Großstädten.
Diese Merkmale ins Gegenteil zu kehren – vom urbanen in den ländlichen Raum, von
der zeitgenössischen, in die historische Formensprache zu wechseln, stellt nicht nur eine
inhaltliche Erweiterung Ihres Projektes dar, sondern sicherlich auch eine stilistische. Es
werden sich neue Fragen stellen, über das Malerische (Romantische?) in der
Landschaftsdarstellung… Es werden sich zusätzliche Ansätze zu kunsthistorischen
Tendenzen eröffnen, Parallelen zu anderen gestalterischen Disziplinen werden sich
aufdrängen …

Zur Einreichung von Rob Bensky :
Die Frage nach der Objektivität der Bilder ist ebenfalls eine sehr spannende Geschichte.
Dazu kommen Ihre Überlegungen zu Exponaten in Museen, Objekte welche durch ihre
Funktion, ebenso wie durch den Lauf der Geschichte, alles andere als neutral sein
können, und damit das begründete Hinterfragen von Vermittlungsstrategien, genau wie
die interessante Analyse der Wahrnehmung des Betrachters.
Ihr Interesse an Gegenständen haben Sie bereits in dem Projekt „Aufgelöst“ in eine
Raum-Zeit Verbindung gestellt, um hier eine narrative Dimension in Betracht zu ziehen.
Eine Recherche dessen Kern sich auch auf die erste Idee Ihrer Bewerbung auswirken
kann…
Begrüßt hat die Jury den Ansatz der Gegenüberstellung von Darstellungsweisen im
Ausstellungswesen zwischen Clervaux und Dresden. Falls Sie dieser ersten Idee
tatsächlich nachgehen möchten, stehen wir gerne zur Verfügung um erste Kontakte mit
dem Museum auf lokaler Ebene zu knüpfen.
Ihre zweite Idee konzentriert sich im Grunde auf dieselbe Dualität: Objektivität –
Subjektivität. Die Bildgestaltung unterliegt zum einen dem Zufall und wird von einer
Maschine bestimmt, zum anderen wird der scheinbar dokumentarische Charakter auch
wieder durch die Bedeutung „Ich war hier“ – einem rein subjektiven Manifest – außer
Kraft gesetzt. Welche Bedeutung dem Zufall zukommt, wäre dann in Clervaux zu
ergründen.

Beide Bewerbungen wussten zu überzeugen, weil sie über die Bedeutung des Abbildes
herauszugehen versprechen und das Motiv als Ausgangspunkt und nicht als Endpunkt
sehen. Die Fragen, die Sie daraus ziehen können, sind eine vielversprechende Grundlage, die wir
als Jury unterstützen möchten.

für die Jury,
Annick Meyer, Clervaux – cité de l’image

 

CLAUDIA DORNINGER LEHNER
Geb. in Wien; lebt und arbeitet in Perchtoldsdorf.
Studium der Architektur an der TU-Wien und University of Strathclyde, Glasgow;
Diplom 1998. Lehrgang für angewandte und künstlerische Fotografie
an der Prager Fotoschule Österreich; Diplom 2015.

Portrait
Claudia Dorninger-Lehner

DIE EINREICHUNG (Auszug)
Fotografieren ist für mich Zeichnen und Malen mit Licht,
Bildgestaltung mit visuellen Eindrücken,
die wir in der unmittelbaren Gegenwart wahrnehmen.

Die psychische Präsenzzeit, also jene Zeit, die wir als Gegenwart wahrnehmen (2-8 Sekunden)
im Bild festzuhalten war eines meiner fotografischen Hauptanliegen der letzten Monate.

Für meiner Arbeit ‚Vier Sekunden Gegenwart‘ fotografierte ich vor allem
moderne Architektur aus Stahl und Glas in den aktuellen Stadterweiterungsgebieten Wiens.

In Clervaux möchte ich dieses Projekt weiterführen. Wiederum soll die Abbildung von
architektonisch interessanten Gebäuden in der Zeitspanne der psychischen
Gegenwart der Ausgangpunkt für die Untersuchung visueller Fragen sein.
Diesmal stehen historische Gebäude und die ländliche Struktur in und
um Clervaux im Mittelpunkt, was für mich einen interessanten Gegensatz
zur Arbeit in der Stadt und eine neue fotografische Herausforderung bedeutet.
– (Möglich wäre auch eine Abbildung jener 22 Burgen und Schlösser,
deren Modelle im Schloss ausgestellt sind.)

Laxenburg
Vier Sekunden Gegenwart – Laxenburg 2016, Foto: Claudia Dorninger-Lehner

 

Rob Bensky

  • geboren in Frankfurt am Main
  • Ende der 70er Jahre Teil der Alternativen Bewegung (Umwelt- und Friedensbewegung), künstlerisch tätig als Musiker
  • Studium der Agrarwissenschaft
  • 2003 Abschluss IHK: Fachinformatiker (AE)
  • ab 2003 selbstständig als Webdesigner/–entwickler
  • ab 2011 eigenes Atelier in Dresden für künstlerische Fotografie und Auftragsfotografie
Rob Bensky

 

DIE EINREICHUNG  (Auszug)
Clervaux liegt in den Ardennen und so bin ich natürlich auch auf die Ardennen-Offensive gestoßen,
die ebenso ein Teil der neueren Geschichte von Clervaux/Clerf ist. Da dies jetzt über 70 Jahre her ist,
leben noch Menschen, welche aus dieser Zeit stammen und zu den Objekten und Begebenheiten
zum Teil auch eine direkte Verbindung haben.
Gerade diese Menschen verstehen diese Dinge, diese Zeit im Sinne von „Spuren und Zeichen“.
Das ist eine Thematik, mit der ich mich in einem anderen Zusammenhang ebenso auseinandersetze (s.u. Projekt „Aufgelöst“).
Es gibt in Clervaux ein „Musée de la Bataille des Ardennes“, dazu einige Kriegsdenkmäler im Naturpark Our. Ich lebe in Dresden – und wir haben in der Stadt das Militärhistorische Museum, in welchem die Exponate aus Kriegsgeräten und Ausrüstungen bestehen. Deren Funktion ist – kurz gefasst – Zerstörung. Diese Exponate der Zerstörung haben somit Einzug in ein Museum.

Folgende Fragen möchte ich fotografisch untersuchen:
Gibt es Unterschiede der jeweiligen Ausstellungen in der Darstellung, im Arrangement zwischen den Exponaten der ehemaligen Besatzer und Besetzten?
Welche Personen gehen in diese Museen und in welcher räumlichen Distanz stehen sie zu den Exponaten? Eine Anregung dazu sind die Arbeiten von Thomas Struth in „Museum photographs“.
Ich werde den Schwerpunkt der Beobachtung darauf legen, inwieweit sichtbar wird, welche Emotionen derartige Exponate bei den Betrachtern auslösen, zum Beispiel Faszination oder Abscheu. Oder ob es Unterschiede zwischen Jung und Alt gibt. Das und weitere Punkte, die sich im Prozess ergeben, versuche ich darzustellen.

SONY DSC
Ausstellungsprojekt „X Days Clean“, Roland Biczysko 2011