18. September 2020 ::: Freistadt im Blick

Ein Projekt des Lions Club Freistadt
und der Prager Fotoschule

Freistadt feiert 2020 den achthundertsten Geburtstag, der Lions Club seinen Vierziger. Den doppelten Geburtstag nahm der Club zum Anlass für ein künstlerisches Geburtstagsgeschenk. Unterstützt von der LEADER-Region Mühlviertler Kernland und der Stadtgemeinde Freistadt schrieben die Lions gemeinsam mit der Prager Fotoschule europaweit ein Artists-in-Residence-Programm aus, für das sich zahlreiche Fotokünstler*innen bewarben. Vier davon hat die Jury ausgewählt: Lisa Großkopf (Österreich), Wojtek Skowron (Polen), Christina Stohn (Deutschland) und Sofya Tatarinova (Russland) wohnten während des Sommers je zwei Wochen in Freistadt und richteten ihre Objektive auf Menschen, Räume und Ereignisse. Ihre nun präsentierten Arbeiten zeigen einen „freien“, von außen geworfenen Blick auf Freistadt. Die Ausstellungsorte haben die Künstler*innen selbst gewählt und laden das Publikum zu einer Entdeckungsreise durch die Altstadt ein.

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VERNISSAGE
18. September 2020, 17 Uhr
Hauptplatz 1, 4240 Freistadt
Ausstellung
19. September – 21. Oktober 2020

Zu den Arbeiten

Inside out – Lisa Großkopf (A)
Während ihres zweiwöchigen Freistadt-Aufenthalts begab sich Lisa Großkopf auf eine voyeuristische Suche nach Bildern der Stadt: in Form von Gemälden, grafischen Drucken und künstlerischen Fotografien. Diese Suche führte sie in private Wohnräume, Bürogebäude und Gastronomiebetriebe. Großkopf erkundete Freistadt hinter den Fassaden und verschaffte sich so Einblicke in die Stadt, die ihr als Gastkünstlerin sonst verwehrt gewesen wären. Dem romantisierenden Blick, den die Urheberinnen und Urheber dieser Bilder auf die mittelalterliche Stadt werfen, stelle sie Fotos ihrer temporären Unterkunft gegenüber, die zeitgleich als Künstleratelier
fungierte. Die dokumentierte Banalität des Alltags entmystifiziert die künstlerische Arbeitsstätte, die seit der kulturgeschichtlichen Epoche der Romantik vielfach zu einem Topos der Schöpfung als solitärer Gegenwelt zur Realität idealisiert wurde.


Inside out – Lisa Großkopf (A)

 

Gefundene Orte – Wojtek Skowron (PL)
Thema von Wojtek Skowrons Fotografie sind von Menschen geprägte Orte und geschaffene Dinge, in denen emotionale Stimmungen wie Gerüche eingefangen sind. Er sucht nach Schönheit und Erhabenheit, die an unvorhergesehenen Stellen wie Unkraut aus den Ritzen zwischen den Pflastersteinen sprießen. Seine Motive findet Skowron wie Pilze im Wald: durch freies Umherstreunen und Offenhalten der Augen. „Ich hebe die Funde aus dem Unterholz der urbanen Räume auf, aus toten Winkeln, wo sich Orte, Räume und Dinge nicht in eine vordergründige Stadt-Erzählung fügen, nicht das Prestige höherer Zweckmäßigkeit, ehrwürdigen Alters oder symbolischer Repräsentation besitzen, und hole sie aus der Unsichtbarkeit ans Tageslicht. Folgerichtig bewegte ich mich auf meinen fotografischen Streifzügen an den profanen Peripherien der Stadt, außerhalb der Mauer der altehrwürdigen und liebevoll restaurierten Altstadt“, so Wojtek Skowron über seine Bildersuche in Freistadt.


Gefundene Orte – Wojtek Skowron (PL)

 

Das fehlende Bild – Sofya Tatarinova (RUS)
Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges schien der langersehnte Frieden eingekehrt zu sein, doch Konfrontationen, Konflikte, Gewalt und Spannungen setzten sich in den Besatzungszonen noch weitere zehn Jahre, von 1945 bis 1955, fort. In zahlreichen Berichten der Einheimischen über die sowjetischen Besatzungstruppen, in den offiziellen Dokumenten der sowjetischen Verwaltung, den Fotografien von Soldaten und Erinnerungen der Zeitzeugen lässt sich immer wieder die Angst verspüren, die in Gegensätzen wie „einheimisch“ vs. „fremd“, „besetzt“ vs. „Besatzungsmächte“ zum Ausdruck kommt. Die städtische Topographie wird zu einer Topographie der Angst. Eine imaginäre Karte, auf der einzelne, in den offiziellen Berichten oder in privaten Erinnerungen beschriebene Objekte verortet sind. Manche davon existieren immer noch. Da Fotoapparate in der sowjetischen Besatzungszone verboten waren, sind bei den Freistädtern kaum Bilddokumente aus dieser Zeit, sondern zumeist nur schriftliche Zeugnisse überliefert. Das Fehlen dieses einen Mediums lässt genügend Freiraum für Überlegungen und Vermutungen, die die Lücken schließen und das Gesamtbild wiederherstellen: das Bild von Freistadt in der Besatzungszeit.


Das fehlende Bild – Sofya Tatarinova (RUS)

Dåsiga – Christina Stohn (D)
In Freistadt werden Bräuche generationenübergreifend in breiten Teilen der Gesellschaft gepflegt. Das Bürgerkorps sowie die Goldhauben- und Kopftuchgruppe sind kulturspezifische Elemente lokaler Identität. Vor Jahrhunderten in bürgerlichen Kreisen gegründet, wurden sie in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts wiederbelebt. Diese Traditionsvereine haben eine repräsentative Funktion und setzen sich für gemeinnützige Tätigkeiten ein. Ferner vermitteln sie ein Gefühl der Sicherheit und Kontinuität und helfen, den Herausforderungen in einer sich stetig und schnell verändernden Welt zu begegnen. Kopfschmuck wie Goldhauben, Perlhauben oder Federbüsche werden in Handarbeit hergestellt und sind wertvoller Bestandteil von Festtrachten bzw. Uniformen, die zu besonderen kirchlichen und weltlichen Anlässen getragen werden. Die Linzer Goldhaube wurde 2016 in das Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes der UNESCO aufgenommen.


Dåsiga – Christina Stohn (D)